Bitte nicht aus dem Fenster lehnen

Heute war ich gerade auf der Karcherallee unterwegs, als ein ganzes Stück hinter mir ein Krankenwagen mit Sondersignal in meine Richtung einschwenkte. Er war allerdings noch so weit entfernt, daß ich erst einmal mit dem Verkehrsstrom weiterschwimmen konnte. Etwa in der Mitte der Stübelallee war er dann so weit ran, daß ich noch in aller Ruhe nach rechts Platz machen konnte. Die linke Spur war nun vollständig frei und es war kaum zu erwarten, daß ihn die rechte störte. Wie groß allerdings war mein Entsetzen, als der hellgrüne Kleinstwagen direkt vor mir eine halbe Notbremsung machte und stehenblieb. Natürlich habe ich mich sofort auf Überholen programmiert und bei der Vorbeifahrt demonstrativ den Arm mit der „Was soll das?“- Geste erhoben. Irgendwie mußte man das der Tussi schon beibringen! – Doch siehe da, kaum war ich vorn, gab der Floh Gas und mir schwante sofort: Das ist keine Tussi, sondern ein Tusso. So war es dann auch. Der junge Herr outete sich als Fahranfänger, der gerade seinen Führerschein gemacht habe und genau wisse, daß man unbedingt anhalten muß. Ich hielt natürlich dagegen, daß das nach DDR-Recht so war und die sei lange vorbei, aber er bestand auf Aktualität und betonte: Anhalten und Rettungsgasse bilden. Im gleichen Augenblick lehnte sich seine Beifahrerin meinungsmäßig derartig weit aus dem Fenster, daß sie wahrscheinlich nur noch mit den Zehenspitzen an der Kante hing. Sie rief: „Das sind die Richtigen! Erst Menschen totfahren und dann noch diskutieren!“ Auf Droge?! Auf jeden Fall bin ich ja nun im Auto nicht ganz unfehlbar, also habe ich zu Hause gleich mal ins Internet geschaut.
Zu dem Thema: „Verhalten bei Fahrzeugen mit Sondersignal“ heißt es in der StVO lapidar.

Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

§ 38 Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht

(1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.

Es ordnet an:

„Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“.

(2) Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur zur Warnung an Unfall- oder sonstigen Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden verwendet werden.
(3) Gelbes Blinklicht warnt vor Gefahren. Es kann ortsfest oder von Fahrzeugen aus verwendet werden. Die Verwendung von Fahrzeugen aus ist nur zulässig, um vor Arbeits- oder Unfallstellen, vor ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen oder vor Fahrzeugen mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder mit ungewöhnlich breiter oder langer Ladung zu warnen.
Wikipedia schreibt etwas detaillierter zum Thema anhalten und Rettungsgasse:

Blaues Blinklicht in Kombination mit Einsatzhorn

Die Kombination von Blaulicht und Einsatzhorn zeigt den übrigen Verkehrsteilnehmern an, dass das Fahrzeug sowohl Sonderrechte als auch Wegerecht in Anspruch nimmt. § 38 StVO, Absatz (1) sagt aus:

Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn […] ordnet an: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“.

„Freie Bahn zu schaffen“ bedeutet für die anderen Verkehrsteilnehmer (auch für den Gegenverkehr)

  • nach Möglichkeit rechts zu fahren,
  • ihre Fahrt zu verlangsamen und gegebenenfalls anzuhalten,

um dieser Anordnung zu folgen.
Ist die Straße nicht breit genug, um einem Fahrzeug mit Sondersignal das Überholen zu ermöglichen, kann es auch erforderlich sein, mit normaler Geschwindigkeit weiter zu fahren, bis eine Stelle erreicht ist, an der das Einsatzfahrzeug überholen kann.

An Kreuzungen und Einmündungen mit Haltzeichen (z. B. Lichtsignalanlage) kann es nötig sein, vorsichtig über die Haltlinie seitlich in den Kreuzungsbereich hineinzufahren, um die nötige freie Bahn zu schaffen. Dabei darf jedoch kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.

Auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen ist bei Stau immer eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge zwischen der ersten und zweiten Spur von links zu bilden, um das rasche Durchfahren des Staus für Einsatzfahrzeuge zu ermöglichen.

Dieser Fall war keiner der gegebenen Fälle zum Anhalten, denn der Rettungswagen war unbehindert. Im Gegenteil hätte es gerade deswegen einen Unfall gegeben. Wann man Rettungsgassen bildet, kann man im vorstehenden Text ganz deutlich lesen. Nur mal als Erläuterung für den jugen Mann: Das sind die Straßen mit den Auf- und Abfahrten, den Leitplanken und dem ganzen Schnickschnack.
Für die junge Dame hätte ich noch einen Tip: Lehnen sie sich nicht zu weit aus dem Fenster!
Manchmal fällt man nämlich raus.
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Über Bernd

Baujahr 1955, männlich, nicht mehr zu haben, Mechatroniker, Elektriker, Technikinformatiker und - natürlich - Taxifahrer
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