Wenn ich so Tag für Tag durch die Stadt fahre, frage ich mich manchmal: „Werden wir alle bald auf einem Friedhof leben?“, denn ganz Dresden ist voll von Gedenkstätten aller Coleur. Dabei seien Denkmale und Gedenkstätten von offiziellem Charakter einmal ausgenommen. Übrig bleiben im öffentlichen Raum zum Beispiel Grablampen und/oder Kerzen, auch brennende bei Waldbrandwarnstufe 3 (Fischhausstraße) und weitere Kostbarkeiten wie z.B. weiße Fahrräder. Natürlich sind das Erinnerungsstätten für Menschen, die unschuldig starben. Aber weiß denn irgendjemand, wie viele Menschen jährlich in Dresden unschuldig um´s Leben kommen?! Es gibt nämlich weiß Gott nicht nur tote Radfahrer. Jeder andere unschuldig Getötete hat das gleiche Recht auf Gedenken. Das würde man sofort merken, wenn unsere Stadt voll ist von weißen Schrottfahrzeugen bis hin zum LKW. Auch sollte verhindert werden, daß derRichtigen gedacht wird, denn gerade an der Fischhausstraße müßte man sich fragen: Wenn der erste Wagen einer 100 Meter langen Schlange ein Fahrzeug aus einer Behindertenschule ausfahren läßt, in den dann ein Motorradfahrer mit mehr als 100 km/h hineinfährt, ist dann der ausfahrende Kraftfahrer schuld? – Na gut ich will nicht lügen. Es könnte ja sein, daß sich Angehörige des Motorradfahrers beschweren oder sich der junge Mann posthum beleidigt fühlt durch die Aussage, er sei nur 100 gefahren. In Wirklichkeit sollen es mehr als 150 gewesen sein. Ich lasse mich natürlich gern von einer anderen Version überzeugen: durch die Kopie des Unfallprotokolls.
Und dann gehen wir doch mal weg vom Straßenverkehr und stürzen uns in die Kriminalität: Wieviele Ermordete gibt es denn eigentlich in Dresden jährlich?! Hier gilt für Schuld oder Unschuld genau das Gleiche. Wenn ein Drogendealer bei einem Schußwechsel mit seinem Konkurrenten den Kürzeren zieht, fehlt mir per se das Gefühl der Unschuld. Wenn aber bei diesem Schußwechsel ein Unbeteiligter zu Tode kommt, dann ist doch wohl mindestens so traurig wie ein tödlicher Verkehrsunfall. Wie nun sollten wir dessen Gedenken feiern. Kerzen und ein Bild sind doch viel zu profan, schließlich sind wir doch Menschen mit Intelligenz, oder? Ich schlage also hier auch etwas Weißes vor, damit jeder sofort den Sinn erkennt: Wir hängen eine Pistole aus weißer Schokolade an die nächste Laterne.
Zurück zum Urthema: Wie also wollen wir es halten? Stellt jetzt jeder seinen individuellen Grabstein auf für rein subjektiv zu sehende Vorgänge oder organisieren wir solche Dinge gesellschaftlich?
Bisher dachte ich eigentlich nicht, daß wir in einer Bananenrepublik leben.
PS: Normalerweise ist ja das Ordnungsamt für die Verhinderung von Müll auf städtischer Flur zuständig, aber weiße Fahrräder bringen kein Geld und zählen auch nicht für die 70 „Pflichtknöllchen pro Tag“ der Mitarbeiter
Wieso eine weiße Pistole?
Sind die Radfahrer/in an der Bautzner Straße und der Cäcilienstraße etwa von unvorsichtigen Radfahrern überfahren worden?
Außerdem finde ich es gut, wenn man als Autofahrer – besser: Verkehrsteilnehmer – durch Kreuze und ähnliches am Straßenrand ab und zu an die Gefahren auf der Straße erinnert wird und vielleicht sein eigenes Verhalten reflektiert.
OK, keine weiße Pistole. Mach mal Gegenvorschlag. Vielleicht weiß lackiertes Einschußloch?
Vermutlich gibt es in Dresden wesentlich weniger bei Drogenschießereien getötete Unbeteiligte als Verkehrstote allgemein und Radfahrer oder Fußgänger im Speziellen.
Insofern sehe ich da keine Notwendigkeit irgendeinen Erinnerungsvorschlag zu machen.
Aber wenn Du Dich so sehr über den an manchen Straßenrändern stehenden (deiner Ansicht nach) „Müll“ ärgerst, könntest Du ja vorerst schon mal den Kampf aufnehmen gegen all jene Raucher, die ihre Kippen einfach so auf den Boden werfen. Da findet eine tatsächliche Verschmutzung und Umweltschädigung statt.
Und was ich so im Vorbeifahren/-gehen sehe, könnte man mit der Vermeidung dieses Mülls direkt am Taxistand anfangen.
Willst du jetzt wirklich verschiedene „Arten“ unschuldig zu Tode gekommener Menschen auseinanderdividieren?! Der eine ist ein Denkmal wert und der andere nicht??
Damit das noch mal so richtig klar wird: In Deutschland gibt es für alles eine Ordnung, also auch für Gedenken. Nur um diese Ordnung geht es mir. Wenn jeder macht, was er will, stellt sich die Frage: Wo fängt es an, wo hört es auf.
Ich selbst möchte mich nicht so fühlen wie auf einem Friedhof. Wenn dir diese Ordnung nicht gefällt, bist du vielleicht Anarchist. Dann aber brauchen wir nicht wirklich diskutieren, denn das sind Lebenseinstellungen und ehe einer seine eigenen zugunsten eines anderen ändert, fließt das Wasser bergauf.
Die Sache mit den Kippen ist natürlich auch eine Sauerei, für die ich mich fremdschäme, aber halt ein anderes Thema.
Ich habe nicht gesagt, dass es verschiedene Wertigkeiten unschuldig zu tode Gekommener gäbe, ich bin lediglich der Meinung, dass es nicht meine Aufgabe ist, mich um das Andenken von Menschen zu kümmern, die bei einer Drogenschießerei gestorben sind. Das werden, wie auch bei den Radfahrern, wohl Angehörige oder entsprechende Interessengruppen übernehmen. Vermutlich wird man ein Kreuz wählen und davor ein Grablicht und Blumen aufstellen.
Hauptsächlich ging es mir bei meinem Kommentar auch um die von Dir ergenannte weiße Pistole.
In Moritzburg hat man schließlich auch keine weißen Pferdeäpfel und einen weißen Motorradlenker am Straßenrand vor dem Wildgehege plaziert.
Es gibt halt verschiedene Formen des Gedenkens – einmal ist es ein behauener Sandstein für einen von Rassisten getöteten Mosambikaner, dann wieder Messingplatten vor den Wohnhäusern ermorderter Juden, woanders werden jährlich für einen Nazioberst Feiern abgehalten und eine Straße und eine Kaserne nach ihm benannt, oder man benennt ein Stadion nach einem kommunistischen Sportler, dann wiederum gibt es einen markanten Pflasterstein für den Justizmord an einem Anhänger einer reformierten Kirche – irgendwessen Ordnungsansichten werden vermutlich auch dadurch gestört.
Solange ich durch verschiedene Gedenkformen nicht wesentlich beeinträchtigt werde, sehe ich das Ganze recht tolerant.
Auch wenn ich ab und zu an einem weißen Fahrrad, einem Kreuz mit Kerzen und Blumen, einem Gedenkstein oder gar einem Hinweisschild zu einem Friedhof vorbeikomme, fühle ich mich noch lange nicht wie auf einem Friedhof. Schließlich fühle ich mich aufgrund verschiedener Werbeplakate am Straßenrand auch nicht gleich wie in einer Küche, auf einem Kreuzfahrtschiff oder einem Pornoladen.
Gut, bei den albern-dämlich trivialen Sprüchen und Gesichtern die momentan allerorten die Sicht behindern und gar an Bäumen (ein absolutes NoGo für die von der Stadt streng reglementierten privaten Werbetafeln – was sagt Dein Ordnungsempfinden eigentlich dazu) hängen, weiß ich wirklich manchmal nicht mehr wo ich bin.
Übrigens: auseinanderdividieren – ein schöner Pleonasmus.
Die letzte Zeile deines Kommentars zuerst: Richtig! Deshalb steht es da.
Im übrigen bist in deinem restlichen Text näher bei mir als du denkst, denn ich habe auch nichts gegen gesellschaftlich beschlossenes Gedenken, ob ich nun gedenke oder nicht.
Was mich stört, sind Privataktionen im öffentlichen Raum. Dazu zählt zum Beispiel auch ein Feuerwerk, weil der Herr Schmierbacke glaubt, die Freude seiner Tochter zum Schulanfang sei nur komplett durch das Wecken oder zumindest Nerven der nahewohnenden Bürger.
Oh, keine Feuerwerke mehr in Dresden.
Oder eventuell noch eins zum Stadtfestabschluß – alle anderen sind schließlich privat.
Und hoffentlich hast Du noch nie an der Ampel einen Träumer vor Dir angehupt oder den Motor beim Warten auf Kunden laufen lassen – alles wider der geltenden Ordnung und andere Bürger nervend.
Und nein, ich glaube ich bin Dir mit meinen Ansichten (als Deiner Meinung nach vermeintlicher Anarchist) nicht allzu nahe.
Ich betrachte die weißen Fahrräder nämlich nicht als Müll.
Überhaupt habe ich nämlich nichts gegen privates Gedenken. Zumindest solange ich – wie schon erwähnt – nicht wesentlich beeinträchtigt werde.
Wenn wir uns stets nur auf gesellschaftlich beschlossenes Gedenken oder Handeln beschränken würden, würden z.B. weiterhin wie 2005 jährlich tausende Neonazis durch Dresden ziehen oder es wie in diesem Jahr kein „offizielles“ Gedenken am 13. Februar auf dem Heidefriedhof mehr geben.
…und Hieb, und Stich, und Hieb, und Stich…
Langsam bemerke ich, daß ich einen Job und Familie und auch das eine oder andere Hobby habe und wir hier in trauter Zweisamkeit um des Kaisers Bart streiten. Bei mehr Teilnehmern würde ich weiter mitstreiten, aber 1 zu 1 ist mir zu wenig.
Gestatte mir bitte die Diskussion mit dem Ergebnis abzubrechen, daß wir beide unsere Meinung behalten. Ich werde weiterhin meine Meinung auf diesem Blog kundtun und du wirst deine auf deinem… Ja wo eigentlich?
Egal, tschüß bei dir.