Im Normalfall ist es bei Auffahrunfällen ganz einfach: Wer auffährt, ist schuld, denn er hatte keinen Sicherheitsabstand. Nun schauen wir uns doch mal folgenden Artikel an.
Hier wäre der Citroen also klar schuld – von Rechts wegen. Daß eigentlich der bisher Unbekannte der Depp war, tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache, denn er war nur der Auslöser dafür, daß das Mißverhalten eines anderen zum „Fall“ wurde. Wieso also wird er trotzdem sogar mit Vorwurf der Fahrerflucht gesucht?!
Nein! Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: „Wer saß in dem Citroen, der es erwirkte, daß das Recht gebeugt werden soll?“
Allein der Golf-Fahrer hätte die Handlungsweise des Unbekannten monieren können, wenn er selbst aufgefahren wäre, denn schließlich hatte er gar nicht die Chance eines Sicherheitsabstandes! Der Citroen hatte diese mit Sicherheit, denn er fuhr ja schon mindestens eine kleine Weile hinter dem Golf.
Ich habe die angegebene Telefonnummer vor wenigen Minuten mal probehalber angerufen, um nach dem Citroenfahrer zu fragen. 😉 Dran war ein Polizeibeamter, welcher aber über besagten Fall nichts wußte. Er hätte quasi nur die Information über den vermeintlichen „Missetäter“ aufgenommen. Der Spaß war´s mir aber wert.
Was aber soll uns diese Geschichte sagen?
Entweder Sicherheitsabstand halten oder einflußreiche Freunde haben! 😉
Aber hoffentlich hat man dann auch Freunde bei der Versicherung.
Das ist so nicht richtig. Natürlich, und das steht auch in dem zitierten „Artikel“ nirgends anders, trägt der Citroenfahrer Schuld an dem Unfall. Das schließt aber ein Mitverschulden eines anderen Verkehrsteilnehmers nicht aus. Oder bist du bei den Blechschaden-Betrugsfällen auch der Auffassung, dass der Auffahrende zu 100% und alleine schuld ist, obwohl der Vorausfahrende ohne jeglichen Grund auf freier Strecke eine Vollbremsung in der Absicht hinlegt, diesen Unfall zu provozieren? Natürlich liegt beim Auffahrenden ein Verschulden, denn er hat halt so zu fahren und Abstand zu halten, dass er auch in dieser Situation rechtzeitig bremsen kann. Aber den Vordermann trifft eben auch ein Verschulden, da er nicht grundlos auf freier Strecke eine Vollbremsung hinlegen darf, wenn hinter ihm jemand fährt.
Es ist eben nicht so, dass bei einem Verkehrsunfall sich immer nur einer falsch verhalten hat und dieser die alleinige Schuld daran trägt.
Und in diesem Fall ist es eben so, dass der Unbekannte sich (wie auch der Citroenfahrer) durch seinen unvermittelten Spurwechsel falsch verhalten hat und damit einen Unfall letztlich (mit-)verursacht hat. Und Unfallbeteiligter im Sinne der Straftat Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist eben nach § 142 Abs. 5 StGB „jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“
Und mal im Ernst: Dass das Verhalten des Spurwechslers zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann, wirst du nicht bestreiten wollen, oder?
Es ist also vollkommen richtig, gegen diesen Fahrer wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Umgangssprachlich Unfallflucht, noch umgangssprachlicher Fahrerflucht) zu ermitteln. Und das hat genau gar nichts damit zu tun, dass auch den Citroenfahrer eine Mitschuld oder womöglich sogar die Hauptschuld trifft, und damit auch nicht im geringsten etwas mit Rechtsbeugung oder „einflussreichen Freunden“.
Ich muß ehrlich zugeben, daß mir nach dem Schreiben des Artikels auch schon leise Zweifel gekommen sind, ob das wirklich richtig ist. Man weiß ja, daß sich Rechtsempfinden nicht immer mit realem Recht deckt. Wirklich klar ist nämlich unser Rechtssystem auch nicht. Ich sage immer: Für Erschrecken kann ich nichts, aber sehen das alle so? Ich befürchte: Nein! Ich erinnere an den Fall, wo ein Mitarbeiter von Mercedes mit irgendeinem Prototypen höherer PS-Zahl von hinten eine Frau im Kleinwagen so erschreckte, daß sie die Autobahn verließ und starb. ich muß sagen, daß mir das garantiert nicht passiert wäre, denn ich erschrecke nicht so leicht. Erst dann, wenn mir ein 5 Sekunden vorher noch hinter mir fahrender in meinem eigenen Auto die Hand gibt, würde ich sagen: „Hier stimmt etwas nicht!“ Im konkreten Fall müßte selbstverständlich auch besagter Unbekannte zur Rechenschaft für seine Kamikaze-Manöver gezogen werden, aber für den Unfall ist er nur mittelbar der Verursacher. Schließlich war ja sein direkter Konkurrent der Golf und dessen Fahrer war ja up to date – wie wir Deutsche sagen. 😉